Ich liebe WeihnachtsmĂ€rkte. Das ist ungewöhnlich. Als Progressiver wird von mir natĂŒrlich erwartet, dass ich diese Zurschaustellung religiöser Mythologien, gepaart mit eklatantem Konsumdenken, ablehne und mich aufs hĂ€rteste gegen die VolkstĂŒmelei der Vorweihnachtszeit ausspreche.
Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, liebe ich den Markt in all seinen Formen. Der sĂ€kulare âWintermarktâ, der pseudo-skandinavische âHyggemarktâ, die âRitterliche Adventszeitâ, oder sogar die weltweit gehypten GroĂweihnachtsmĂ€rkte in NĂŒrnberg oder Hamburg.
Ich mag Menschenmengen nicht wirklich. Ich hasse es, mich durch Gruppen zu zwĂ€ngen, und ich bin kein groĂer Fan der ĂŒberteuerten Speisen und GetrĂ€nke. Und trotzdem liebe ich den Markt immer noch.
WeihnachtsmĂ€rkte sind es, wo man zusammenrĂŒckt. Sich warm und gemĂŒtlich am GlĂŒhwein oder der Feuerzangenbowle festhĂ€lt, Kartoffelpuffer mit KnoblauchsoĂe futtert, und sich von den Lichtern, dem Lachen und den WĂ€rmestrahlern zur Ruhe verfĂŒhren lĂ€sst. Als Notfaller ist das die Zeit fĂŒr mich, in der ich kaum bis keine âAggressionsverletzungenâ zu behandeln habe. Menschen verbrĂŒhen sich, rutschen auf Eis aus, oder trinken zu viel, aber SchlĂ€gereien und andere negative Interaktionen sind seltener.
DafĂŒr gibt es den Sommer. Aber jetzt ist Winter, der Schnee fĂ€llt, der MP3-Player spielt Whamâs âLast Christmasâ, ich verliere das Last Christmas Survival Game, und Menschen sind netter zueinander.
Man geht zusammen aus, bleibt zusammen, und geht zusammen wieder nach Hause. ZusammengerĂŒckt steht man am Stand, hĂ€lt den GlĂŒhwein als Anker in den HĂ€nden, erdet sich ĂŒber die auf den Stehtisch gestĂŒtzten Ellenbogen, und schaut in die Gesichter der Freunde, die warm und rot von der KĂ€lte und dem Alkohol glĂ€nzen.
Hier entstehen Geschichten. Die langen, die sich ĂŒber Jahre und Generationen hinziehen. Das Oppositum zu den schnellen und heiĂen Kurzgeschichten des Sommers. Wer sich darauf einlĂ€sst, der erfĂ€hrt zwischen gebrannten Mandeln und Lebkuchenherzen eine Menschlichkeit wie sie nur unter vier Lagen warmer Kleidung reifen kann. Wer die Hygge, das Hjarta, den Weihnachts- oder Wintergeist umarmt, der umarmt sich selbst zuerst. Verpackt, nicht nackt, warm, nicht heiĂ, und tiefgehend, nicht oberflĂ€chlich, erfahren wir auf dem Markt mehr ĂŒber uns selbst als die Menschen um uns herum. DafĂŒr ist der Sommer da, jetzt ist erstmal Zeit fĂŒr RĂ€ucherlachs oder Pellkartoffeln mit Spiegelei, und der gegenseitigen Versicherung, dass möge der Winter noch so kalt, die Abende noch so dunkel, und die Winde noch so harsch werden, wir sind da fĂŒreinander, eine Menschlichkeit.